Baumwolle 4 – Zentren des 18. und 19. Jahrhunderts

Steigende Nachfrage und Garnknappheit

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam es in Großbritannien zu einer großen Garnknappheit, die damit zusammenhing, dass der Spinnvorgang deutlich arbeits- und zeitintensiver war als das Weben. Aufgrund der ständig steigenden Nachfrage nach Baumwollstoffen stellten zunehmend auch Privathaushalte Webstühle auf und arbeiteten mit einem Verleger zusammen. Es wurde Zeit für technische Innovationen.

Bahnbrechende Erfindungen I: Spinning Jenny und Waterframe

Im Jahr 1738 reichten die Engländer Lewis Paul und John Wyatt in Birmingham das erste Patent für eine Spinnmaschine ein. Die Society of Arts setzte 1761 auf die Erfindung einer effektiveren Spinnmaschine einen Preis aus. Diesen gewann James Hargreaves 1764 mit der Spinning Jenny, die mit einer Handkurbel angetrieben mehrere Spindeln zugleich bediente. Sie revolutionierte die Garnherstellung, denn fortan arbeitete einem Weber nur noch ein einziger Spinner zu. Die Erfindung breitete sich rasch in England aus. Richard Arkwright erfand wenige Jahre später die Waterframe- Spinnmaschine, die per Wasserkraft angetrieben wurde. Beide Erfinder zogen als Unternehmer den Unmut der Spinner und Weber der Umgebung auf sich, die in einem Protestmarsch ihre Maschinen zerstörten, weil sie ihre Existenzgrundlage gefährdet sahen.

Bahnbrechende Erfindungen II: Die Egreniermaschine

1793 erfand der Amerikaner Eli Whitney die Egreniermaschine, die im Vorfeld des Spinnens zum Entkernen der Rohbaumwolle eingesetzt werden konnte und zu damit zu einer deutlichen Erhöhung der Produktivität führte. Wurden zuvor mehr als 600 Stunden zum manuellen Entkernen benötigt, brauchte man mit der Egreniermaschine nur noch ungefähr 12 Stunden. War zuvor der Import von Baumwolle aus Indien sowohl für die USA als auch für Groß-Britannien am kostengünstigsten, weil die indischen Arbeitskräfte nicht zu unterbieten waren, änderten sich jetzt die Bedingungen. Zwar bekamen die afrikanischen Sklaven in den Südstaaten der USA keinen Lohn, aber vor der Erfindung der Maschine setzten die Farmbesitzer sie lieber für andere Feldarbeiten ein, die effektiver waren als das zeitintensive Entkernen der Baumwolle. Der Einsatz der Egreniermaschine führte dazu, dass die Sklaven nun schon im Frühjahr zum Setzen und Umpflanzen der Baumwollpflanzen eingesetzt wurden. Während der Blüte- und Reifezeit erledigten sie dann Arbeiten auf anderen Feldern, um pünktlich zur Ernte wieder auf die Baumwollfelder zurückzukehren.

Die Kolonialmacht England dominiert den Baumwollmarkt

England bestimmte ab dem 18. Jahrhundert den Baumwollmarkt. Die Stadt Manchester erhielt den Spitznamen Cottonopolis, denn sie hatte sich zum Zentrum des Baumwollhandels entwickelt. Zunächst war es die Britische Ostindien-Kompanie, die Druck auf die indischen Baumwollproduzenten und Weber ausübte und mit ihrer Preispolitik dafür sorgten, dass indische Endprodukte dem Wettbewerb nicht mehr standhalten konnten. Mit der Gründung Britisch Indiens 1858 war es dann die Kolonialmacht England, die dafür sorgte, dass Indien nur noch Rohbaumwolle ausführen durfte. Es kam zu der absurden Situation, die Mahatma Ghandi in seinem späteren Unabhängigkeitskampf so deutlich angeprangert hat. Billig produzierte indische Baumwolle wurde auf einem langen kostspieligen Seeweg mit englischen Schiffen nach England ausgeführt, dort an großen Industriestandorten wie Manchester mit deutlich höheren Produktionskosten zu Textilien verarbeitet wurden. Diese wurden auf englischen Schiffen wieder in die Kolonien zurück transportiert und dort an reiche Großgrundbesitzer und Könige verkauft, die sich als einzige die teuren Waren leisten konnten. Die indische Bevölkerung, die ursprünglich einmal von der Baumwolle leben und sich damit einkleiden konnte, ging leer aus.

Veränderungen auf dem Baumwollmarkt

Mit der Erfindung der Egreniermaschine verlagerte sich der Markt nach Amerika, wo fortan in den Südstaaten der USA und in der Karibik mit Hilfe von Sklavenarbeit deutlich höher wertige Baumwolle produziert wurde. In den USA wuchsen nämlich die langstapeligen Baumwollsorten Gossypium hirsutum (z. B. Upland) und barbadense (z. B. Sea-Island), die verglichen mit der indischen Sorte Gossypium arboreum deutlich reiner, weicher und strapazierfähiger war. Während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861–1865 n. Chr.) waren die wichtigen Häfen für den Baumwollexport nach Europa blockiert, so dass Britannien und Frankreich sich umorientieren mussten. Sie verlagerten ihr Interesse auf die ebenfalls hochwertige ägyptische Baumwolle und investierten vor Ort in den Aufbau großer Plantagen. Sobald der Bürgerkrieg beendet war, wechselten beide Kolonialmächte wieder auf den Import aus den USA. Für den ägyptischen Staat bedeutete das einen herben Verlust, der mit dazu beitrug, dass Ägypten 1882 von der britischen Krone besetzt werden konnte.

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