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Toiles de Jouy 3 – Die Erfolgsgeschichte

Die vielversprechende Ausgangssituation

Die Firmengründung fiel in eine Zeit, in der die Nachfrage nach bedruckten Textilien außergewöhnlich groß war. Ende des 16. Jahrhundert war mit dem Import bedruckter indischer Baumwollstoffe eine Modewelle ausgelöst worden. Zunächst noch mit indischen Originalmotiven versehen, wurden die Dessins der Indiennes  im Laufe der Zeit immer stärker an den europäischen Geschmack angepasst, auch auf Seiten der indischen Manufakturen. Nachdem das Importverbot und die Handelsbeschränkungen des französischen Staates 1759 aufgehoben worden waren, hatte die Oberkampf-Manufaktur optimale Ausgangsbedingungen.

Quilt Bonne Nuit

Einzigartige Stoffdessins

Allein mit den günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lässt sich der Erfolg der Firma nicht erklären. Oberkampf war offensichtlich eine talentierte Unternehmerpersönlichkeit. Unter anderem erkannte er die herausragende Bedeutung des Stoffdessins und engagierte bekannte Künstler und Designer für seine Produktionen. So zum Beispiel Jean-Baptiste Huet, der unter anderem ein Dessin entwarf, auf dem die Arbeitsabläufe in der Fabrik gezeigt wurden. Gleichzeitig achtete er darauf, dass nur Entwürfe in die Produktion gingen, die gut auf Stoff realisiert werden konnten. (Mehr Informationen zu den Dessins erhalten Sie hier in unserem Lexikon.)

Hohe Qualitätsstandards

Doch nicht nur die Dessins der Toiles-de-Jouy waren einzigartig, auch ihre Qualität sorgte dafür, dass die Stoffe schon nach wenigen Jahren einen herausragenden Bekanntheitsgrad erreichten. Zum einen wurden nur qualitativ hochwertige Grundstoffe ausgewählt (reine Baumwolle, haltbare Farben, reines Wasser), zum anderen wurden alle Tätigkeiten, die handwerkliches Können erforderten, von Fachkräften ausgeführt, die in der Oberkampf-Manufaktur ausgebildet worden waren. Die achtjährige Ausbildung wurde zu Beginn von seinem Gründerkollegen Hafner geleitet, kurze Zeit später kamen ein Graveur, ein Drucker und ein Designer aus der Schweiz hinzu. Die Firma bot einige Anreize zur Loyalität. Fast zwei Drittel der Lehrlinge blieben nach der Ausbildung bei Oberkampf. Die älteren Mitarbeiter erhielten auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben bis zu ihrem Tod Lebensunterhalt von der Firma. Neben dem hohen Niveau der Handwerkskunst erfolgten Qualitätskontrollen im Produktionsprozess. In allen Werkstätten der Manufaktur wurden die Produktionsabläufe durch Assistenten und Meister geleitet und kontrolliert.

Vorsprung durch Informationen

Weitere Wettbewerbsvorteile erzielte Oberkampf durch sein großes Interesse am wissenschaftlichen Fortschritt. Die Manufaktur unterhielt auf dem Fabrikgelände ein eigenes Labor, in dem 1792 erstmalig die Chlorbleiche getestet wurde. Außerdem wurden in seinem Auftrag regelmäßig Geschäftsreisen durchgeführt. Neben der Beschaffung von erstklassiger Baumwolle hatten die Reisen das Ziel, die Arbeitsweise der Konkurrenz-Betriebe im Elsass, in der Schweiz und in England auszukundschaften. Mit einem modernen Begriff auf den Punkt gebracht, beschaffte sich die Manufaktur durch Industriespionage einen Wettbewerbsvorteil. In der Schweiz erkundete man beispielsweise eine Kupferwalzenmaschine, bei der ärgsten Konkurrenz im Elsass den Herstellungsprozess von Farbstoffen. Die Mitarbeiter der Oberkampf-Manufaktur lernten auf diese Weise auch die Mängel der Konkurrenz-Betriebe kennen, die in der Regel im Bereich der Organisation und Planung lagen. Bei einem Besuch in London wurden 1811 die gesammelten Informationen zu Dampfmaschinen und Arbeitsbedingungen auf einen Baumwollstoff gebracht. Für die Geheimschrift verwendete man Alaun, das nach einem Essigbad unsichtbar wird. Die Informationen kamen auf diese Weise unentdeckt durch den Zoll. Nach der Rückkehr tauchte man den Stoff in ein Bad mit Färberröte, um den Text wieder lesbar zu machen.
Oberkampf erwarb 1773 in London von der ostindischen Kompanie erstmalig einen Jahresvorrat an reiner Baumwolle. Außerdem kaufte er Stoffdesigns, um seine Mitarbeiter über die in England vorherrschenden Trends auf dem Laufenden zu halten.