Europa lernt die Baumwolle kennen
Nach Europa kam die Baumwolle vergleichsweise spät. Die Griechen lernten Baumwolle kennen, als sie unter Alexander dem Großen in die Kriege gegen das persische Achämenidenreich und gegen Indien zogen. Der Diplomat und Geschichtsschreiber Megasthenes (350 v. Chr. bis 290 v. Chr.) berichtete von seinem Aufenthalt in Indien, dass es dort Bäume gebe, auf denen Wolle wachse. Arabische Kaufleute brachten persische Baumwolle im 8. und 9. Jahrhundert nach Nordafrika, Sizilien und Südspanien. In der Folge entwickelte sich in diesen Gebieten eine eigene Baumwollindustrie, die sich in Italien rasch ausbreitete. Venedig, Florenz, Mailand und Genua waren im 12. und 13. Jahrhundert bedeutende Zentren der Baumwollproduktion. In Südspanien etablierte sich die Industrie vorwiegend in Barcelona. Die Überschüsse aus diesen Produktionsgebieten gingen nach Deutschland, Böhmen und Schlesien.
Baumwolle in Nord- und Mitteleuropa – das Mittelalter
Als die Baumwollstoffe im Mittelalter nach Nord- und Mitteleuropa kamen, herrschte in Bezug auf die tatsächliche Herkunft der Pflanzenfaser große Unwissenheit vor. Zur Legendenbildung trug unter anderem der fiktive Reisebericht des John Mandeville bei. Dieser wusste zu erzählen, dass in Indien ein wundervoller Baum wachse, der an den Enden seiner Zweige kleine Lämmer trage. Seine Zweige seien so biegsam, dass sie sich problemlos neigen könnten, um den Tieren das Fressen zu ermöglichen. Legenden solcher Art führten zur mittelhochdeutschen Bezeichnung „boumwolle“, auf die der heutige Begriff „Baumwolle“ zurückgeht.
Die Barchent-Webereien in Süddeutschland
Im 14. Jahrhundert wurden in Schwaben, Böhmen und Schlesien so genannte Barchent-Webereien gegründet, in denen Stoffe mit Leinen in der Kette und Baumwolle im Schuss gewebt wurden. In diesen Handwerksbetrieben erfolgten sowohl die Garnherstellung als auch die Webung. Man fertigte Stoffe für Oberbekleidung und Weißwäsche. In der Regel erhielten die Stoffe die Farbe durch die Verwendung gefärbter Garne, ganze Stoffe färbte man noch nicht.
Wichtige Zentren der Baumwollverarbeitung lagen in Regensburg, Ulm, Augsburg und Zürich. Der legendäre Reichtum der Familie Fugger aus Augsburg gründete sich auf den Besitz von Barchent-Webereien. Der Rohstoff Baumwolle war damals teure Importware aus Italien, der Türkei sowie aus Syrien und Zypern. Ihren Einkauf konnten sich die Webereien oft nicht leisten und arbeiteten daher in der Regel mit einem so genannten Verleger zusammen, der den Rohstoff und gegebenenfalls auch die Spinnräder und Webstühle finanzierte. Unter der wohlhabenden Bevölkerung entwickelte sich Bekleidung aus Baumwolle nach und nach zum Modeartikel. Im Zuge der stetig steigenden Nachfrage nach Baumwollstoffen, reichte die Produktion der Webereien allein nicht mehr aus. Immer mehr Privathaushalte schlossen diese Lücke durch Heimarbeit.
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