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Seide 4 – Entwicklung der französischen Produktion

Die wachsende Bedeutung der französischen Seidenfabrikation

Die hohen Ausgaben für den Import von Seidenstoffen aus Italien belasteten seit dem Mittelalter die Staatskasse Frankreichs, denn die Nachfrage des Adels und des Königshauses nach diesem Luxusgut nahm stetig zu. 1536 ergriff Franz I erste Maßnahmen, um in Frankreich eine eigenständige Seidenproduktion aufzubauen. Er warb italienische Weber für die Einrichtung französischer Seidenmanufakturen an. In der Provence wurden 10 Millionen Maulbeerbäume für die Zucht von Seidenraupen angepflanzt.

Darüber hinaus rodete man so wertvolle Flächen wie die der Tuilerien und des Schlosses Fontainebleau, um Anbauflächen zu gewinnen. Die Seidenraupenzucht blieb jedoch für die Produktion unerheblich, Rohseide musste zum überwiegenden Teil aus anderen Ländern importiert werden. Die Vielfalt an Seidengeweben war hingegen groß. Sie erreichte im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Zu dieser Zeit gab es ungefähr 200 verschieden gewebte Seidenarten.

Reformen in der Textilindustrie

Seidenkissen1665 wurde die gesamte Textilindustrie durch Colbert grundlegend reformiert. Es wurden Regeln für die Ausbildung und die Kontrolle des Berufsstandes festgelegt, eine maximale Fehlerquote vorgegeben sowie die genaue Anzahl und die Spannung der Kettfäden für die jeweiligen Gewebe bestimmt.

Flucht hugenottischer Textilarbeiter nach England

Nach der Verkündung des Edikts von Fontainebleau im Jahr 1685 flüchteten viele französische Textilarbeiter protestantischen Glaubens nach England. Den hugenottischen Fachkräften gewährte man dort gerne Asyl, da die englischen Webtechniken und Muster deutlich weniger fortschrittlich waren als die der französischen Konkurrenz. In der Regel wurden alte Muster verwendet, neue Muster lagen mit ihrem Erscheinen eine Generation zurück. Eine Ausnahme stellten die Handwerksbetriebe von Spitalfields bei London dar, die auf höchstem handwerklichem Niveau tätig waren.

Die Seidendessins

Bei den Stoffdessins beschränkte man sich zunächst auf die Kopien italienischer Muster, später entwickelten die französischen Weber eigene Designs. Die Musterzeichner wurden genauso ihre italienischen Kollegen zur beständigen Fortbildung angehalten. Muster für Möbelstoffe waren über einen Zeitraum von 25 Jahren urheberrechtlich geschützt, allerdings konnten Kopien nicht wirklich verhindert werden. Die südfranzösische Stadt Lyon wurde zum Zentrum der Seidenproduktion Frankreichs und als solches weltbekannt. Aufwändige diplomatische Geschenke aus Seide stammten aus Lyon. Die Musterzeichner aus dieser Stadt waren bekannte Künstler, die mit Hell-Dunkel-Kontrasten eine einzigartige Tiefenwirkung erzeugen konnten. Der Zeichner Jean Revel wurde aufgrund seines Könnens sogar Raffael der Musterzeichner genannt. Bekannt waren auch die „tableaux tissés“ mit großen Portraits historischer Persönlichkeiten auf Samt.

Die Seidenwebereien in Lyon

Für die gemusterten Seidenstoffe setzte man zunächst Zampelwebstühle ein, die viele Arbeitskräfte benötigten, sogenannte Ziehjungen, deren Aufgabe es war, Kettfäden anzuheben. 1805 wurde der Jacquardwebstuhl (vgl. Jacquard) erfunden, was die Produktion merklich vereinfachte. Bereits sieben Jahre später waren davon 12.000 Exemplare im Einsatz. Die Produktion der Stoffe hatte auch ihre Schattenseiten. Die Seidenweber lebten mit ihren Niedriglöhnen unter der Armutsgrenze. In den Jahren 1831 und 1848 kam es zu Aufständen der Canuts, wie sie auf Französisch genannt wurden. Die ca. 38.000 Beschäftigten waren in der Regel in Heimarbeit tätig. Nach der Niederschlagung der Aufstände verlagerte man die Textilherstellung an die Peripherie der Stadt, um weitere Unruhen zu verhindern. An der Situation der Seidenweber änderte sich nichts.

Wichtige Ereignisse für die Seidenproduktion im 19. Jahrhundert

1854 vernichtete die Fleckenkrankheit alle Maulbeerspinner-Zuchten in Europa. Der Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur untersuchte die Krankheit über Jahre hinweg und riet dann zur Vernichtung aller Tiere und zu einem kompletten Neuimport, da die Verbreitung des Erregers nicht verhindert werden konnte.
1856 entdeckte William H. Perkins den ersten synthetischen Anilin-Farbstoff, eine Entdeckung, die von den Lyoner Seidenfärbern begeistert aufgenommen wurde. In der Folge wurden verstärkt synthetischen Farben in der Seidenproduktion eingesetzt und es kam zur Gründung so bekannter Farbenfabriken wie beispielsweise Bayer.

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